BITTE AN DEN RAT DER STADT GÖTTINGEN UND DEN KREISRAT UM EINEN „BILDUNGS-GUTSCHEIN“ FÜR ALLE KINDER
2011 Öffentliche Gelder, die für Bildung bestimmt sind, sollen der Bildung von Kindern zugute kommen und nicht in Verwaltungsstellen verschwinden.
Ein Bildungs-Gutschein garantiert eine wirklich gerechte Förderung.
In den öffentlichen Schulen kann man fast alles lernen, was man als Grundlage für seinen späteren gewünschten Beruf braucht – außer Musik.
Wer als Erwachsener einmal den Beruf des Musikers / der Musikerin ergreifen möchte, hat keine Chance darauf, wenn nicht seine Eltern eine teure außerschulische Musikausbildung bezahlen können – und dies auch wollen.
Zum Glück dringt es immer mehr ins Bewusstsein, dass – um Chancengleichheit herzustellen – eine gute musikalische Ausbildung in den öffentlichen Schulen stattfinden muss.
Deshalb macht sich eine Bewegung breit, Musik für Kinder zu fördern und Kindern im Lauf der schulischen Ausbildung mehr Musik anzubieten. Hierfür gibt Initiativen unterschiedlicher Art.
Das „Musikland Niedersachsen“ zum Beispiel ist so eine Initiative. Wenn man den Worten des Ministers zum Start der Initiative am 18. Januar 2008 in Hannover Glauben schenken darf, ist dies eine durch und durch gute Sache:
„Unter ‚Musikland Niedersachsen’ verstehen wir die gesamte Bandbreite der Musikkultur in Niedersachsen“ hat er sich darüber geäußert.
Sieht man allerdings genau hin, so steht dieser Fördertopf vor allem denjenigen Institutionen offen, die sowieso schon Förderung bekommen, nämlich den kommunalen Musikschulen.
Aufgrund des Engagements des Bundesverbands deutscher Privatmusikschulen (bdpm) ist es gelungen, dass einige ausgewählte andere Institutionen, wie zum Beispiel der Musi-Kuss e.V., auch Kurse geben dürfen, die mit den Geldern der Projektinitiative „Wir machen die Musik“ gefördert werden.
So begann im Schuljahr 2010 / 2011 die Arbeit an öffentlichen Schulen und Kindertagesstätten.
Insgesamt 32 Unterrichtsstunden wurden im ersten Jahr pro Woche gegeben. Die Eltern zahlten einen minimalen Beitrag (manche gar nichts, manche 2,50€ / Monat und manche auch mehr). Die restlichen Kosten wurden zum einen Teil durch das Land Niedersachsen übernommen und für die im Stadtgebiet stattfindenden Kurse auch durch die Stadt Göttingen kofinanziert.
Der Landkreis beteiligt sich nicht an den Kosten, obwohl auch Stunden in Rosdorf und Reiffenhausen gegeben wurden. Der Landkreis lässt alle für Kinder und Musik zur Verfügung stehenden Mittel seiner eigenen Musikschule zukommen und beteiligt sich mit 0,00 € an den Kosten für die auf seinem Gebiet stattfindenden Kurse des Musi-Kuss e.V.
Wenn man genau nachdenkt, muss man zu dem Schluss kommen, dass die Aufnahme des Musi-Kuss e.V. in dieses Projekt zwar schön ist, aber ist das wirklich gerecht?
Was ist mit den anderen Musikschulen?
Es gibt die Musikschule „Auftakt“, die Musikschule am Wall und andere Institutionen, die Musikunterricht geben. Warum sollten die Kurse des Musi-Kuss e.V. gefördert werden und die anderen nicht? Es besteht kein Grund dafür.
Also die vorhandenen Fördermittel auf alle Institutionen verteilen, die Musik unterrichten?
Nein, denn auch das ist ungerecht.
Was ist mit den vielen privaten Musiklehrern? Soll bei den von ihnen unterrichteten Kinder keine Förderung aus öffentlichen Kassen ankommen? Aus welchem Grund sollten die Kinder nicht förderungwürdig sein, die bei privaten Musiklehrern Unterricht nehmen?
Also lautet der einzig folgerichtige Schluss: Es muss jedes Kind gefördert werden, das Musikunterricht nimmt.
Wenn man diesen Gedanken konsequent zu Ende denkt, ergibt sich folgende Lösung:
Es soll einen BILDUNGS-GUTSCHEIN für jedes Kind geben.
Dieser Gutschein könnte z.B. von der Stadt auf Nachfrage ausgegeben werden. Er sollte jedem Kind unter 18 Jahren zur Verfügung stehen.
Er könnte z.B. die Höhe von 240 Euro jährlich haben, vorerst vielleicht 120,- € angesichts der klammen Stadtkasse.
Das bedeutet: 10 Euro jeden Monat gibt die Stadt / der Landkreis dazu, wenn ein Kind etwas über das normale Schulpensum hinaus lernt. Dieser Zuschuss ist eine spürbare Entlastung für die Eltern und steht jedem Kind offen. Die Kinder und Eltern haben die Wahl, an welcher Institution die Ausbildung stattfinden soll.
Beispielhaft macht das die Gemeinde Spaichingen in Baden-Württemberg. Sie gibt jedem lernwilligen Kind oder Jugendlichen eine Bildungscard mit einem Gutschein von 120,- € / Jahr.
Über diesen Link gibt es mehr Informationen über die Bildungscard der Gemeinde Spaichingen
Es müsste ein BILDUNGS-VERBUND errichtet werden. Angeschlossene Institutionen oder Einzelpersonen, die Kindern eine außerschulische Ausbildung zukommen lassen, müssen als Teilnehmer an diesem Verbund zertifiziert werden. Alle Mitglieder dieses Bildungs-Verbundes sind dazu berechtigt, Gutscheine einzulösen und mit der Stadt (oder dem Landkreis) abzurechnen.
Erstrebenswert ist ein Chipkarten-System, wie es in manchen Einzelhandels-Betrieben schon für Gutscheine existiert. Die Technologie ist vorhanden, Gutscheine per Chipkarte auszustellen.
Ähnlich wie in diesem bereits praktizierten System könnte jedes Kind ebenfalls eine Chipkarte erhalten. Das Guthaben darauf kann es in Form von Bildungsangeboten annehmen.
Die Chipkarte ist personengebunden und nicht übertragbar. Der darauf befindliche Betrag darf nicht ausbezahlt werden.
Hier einige Auszüge aus zahlreichen Gesprächen, die bereits über dieses Thema geführt wurden:
„Für welche Bereiche soll der Bildungsgutschein gelten? Auch für Tanz oder Ballett?“
„Für alle Angebote, die die geistige und körperliche Entwicklung von Kindern fördern. Auch Sportvereine, Judo, Schach, Tennis, und natürlich Musik.“
„Und wenn jedes Kind so eine Chipkarte will? Wird das nicht zu teuer?“
„Unsere Gesellschaft muss sich darüber klar werden, was sie will: Möchte sie finanziell unterstützen, dass Kinder sich bilden und ihre jungen Körper und Gehirne trainieren? Oder will sie am falschen Ende sparen und hinnehmen, dass Kinder vor Fernseher oder Computer aufwachsen? Letztlich wird danach ein Vielfaches von dem eingesparten Geld für Fördermaßnahmen gebraucht, wenn es zu spät ist – für Logopäden, Legasthenie-Therapeuten und ähnliche.“
„Sollen denn wirklich alle diesen Bildungsgutschein bekommen?“
„Natürlich!“
„Auch die Reichen?“
„Genau die Reichen bekommen doch schon jetzt die Förderung.
Und zwar vorwiegend die Reichen, neben einigen Transferempfängern, für die der Unterricht sehr wenig oder manchmal auch gar nichts kostet. Den Geringverdienern und den Normalverdienern mit mehreren Kindern bleibt die kommunale Förderung des Musikunterrichts verwehrt.
Der Unterricht – auch an den geförderten, kommunalen Musikschulen – ist so teuer, dass viele Normalverdiener ihn sich für ihre Kinder nicht leisten können.
Das ist das Kuriose: Der geringverdienende Arbeiter mit einer Schar von Kindern zahlt Lohnsteuer. Er kann seinen Kindern keinen Musikunterricht bieten, weil er das Geld dafür nicht hat.
Mit seinem Steuergeld wird unter anderem der Unterricht für die Reichen bezuschusst, die sich leisten können, ihre Kinder an der kommunalen Musikschule ausbilden zu lassen.“
„Das klingt ja fast wie eine Umverteilung von unten nach oben?“
„Ist es auch.“
„Wird das wirklich praktiziert?“
„In Göttingen nicht. Dort wird keine kommunale Musikschule mit Steuergeldern – unter anderem auch des kleinen Mannes – finanziert. Doch an 74 niedersächsischen Orten wird es so gehandhabt.“
„Ich dachte immer, eine kommunale Musikschule ist dazu da, auch dem kleinen Mann, dem Geringverdiener, Musikunterricht zu ermöglichen?“
„Das ist eine weit verbreitete Meinung, die aber nicht stimmt. Man sehe sich nur an den Musikschulen um, aus welchen Einkommensschichten die Schülerinnen und Schüler kommen. Wer mit seinem Einkommen am Rande des Existenzminimums lebt, hat keine Chance auf Musikunterricht – auch nicht an kommunalen Musikschulen.“
„Das sieht ja tatsächlich nach einer Umverteilung von unten nach oben aus. Welche Parteien beschließen denn so etwas?“
„Fast alle. Es ist ihnen nicht klar. Sie kennen diese Zusammenhänge nicht.“
„Gibt es eine Lösung? Einen Weg aus dieser Situation?“
„Der einzige Weg, wirkliche Gerechtigkeit herzustellen, ist der, dass JEDES Kind die Förderung bekommt, und zwar unabhängig davon, bei welcher Institution oder bei welchem Privatlehrer es Unterricht nimmt. Der geplante Zuschuss von ca. 20 Euro pro Monat deckt noch nicht die Kosten für qualifizierten Einzelunterricht.“
„Dann könnten also auch die Kinder eines Zeitarbeiters oder auch eines normalen Arbeiters sich guten Musikunterricht leisten?“
„Hochwertigen nicht. Aber zumindest Gruppenunterricht, in dem man auch etwas lernt, allerdings bei weitem nicht so viel wie im Einzelunterricht.“
„Aber zumindest ist es auch Geringverdienern möglich, ihr Kind ein Instrument lernen zu lassen?“
„Natürlich. Es ist doch untragbar, dass diese Kinder von so einem Angebot ausgeschlossen sein sollen, wie es bisher der Fall war!“
„Und die Kinder von einem Briefzusteller könnten ein Instrument lernen?“
„Genau! Wenn der Instrumentalunterricht nicht zu teuer ist, könnten auch diese Kinder ein Instrument lernen!“
„Auch die alleinerziehende Verkäuferin oder Friseuse könnte ihre Kinder ein Instrument lernen lassen?“
„Genau so ist es.“
„Das ist ja unglaublich! Endlich gibt es auch in Beziehung auf außerschulische Bildung Gerechtigkeit!“
„Na ja… so ganz gerecht ist das noch nicht! Ganz gerecht wäre es, wenn JEDES Kind das lernen dürfte, was es gern lernen möchte. Auch dann, wenn es eines Tages Musik studieren möchte. Auf eine Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule kann man sich nicht im Gruppenunterricht vorbereiten. Das Musikstudium bleibt den Kindern vorbehalten, deren Eltern den Einzelunterricht bezahlen können.“
„Das ist immer noch ungerecht.“
„Stimmt! Wenn wirkliche Chancengleichheit bestünde, würde aus öffentlichen Kassen auch der hochqualifizierte Einzelunterricht bezahlt.“
„Aber zumindest ist der Bildungsgutschein ein Schritt in die richtige Richtung: In die Richtung Chancengleichheit für alle.“
Eine weitere Folge des Bildungs-Gutscheins ist: Man erreicht auch die sogenannten „Bildungsfernen Schichten“.
Verbrauchermärkte sind Vorreiter: Immer häufiger werden Musikinstrumente auch bei Discountern angeboten. Gitarren und Blockflöten, sogar Klaviere und Akkordeons, Geigen und Trompeten sind als Billig-Variante im Discountmarkt zu haben.
Über die Qualität dieser Instrumente lässt sich sicher streiten. Was aber das Wichtigste an diesen Angeboten ist: Dass jedermann merkt, dass Musik zum alltäglichen Leben gehören kann, so wie Hühnerbrühe, Laugenbrötchen und Fleckenreiniger. Die hierdurch hervorgerufene Veränderung im Bewusstsein derjenigen, die nie einen Schritt über die Schwelle eines Musikgeschäftes machen würden, ist ein wichtiger Bestandteil zur Rückgewinnung unserer Kultur. Diese Angebote zeigen, dass aktives Musizieren zu einem Bestandteil unseres täglichen Lebens gehören kann – und gehören sollte.
Nun ist es die Aufgabe der Politik, die Wege zu ebnen, damit eine diesbezügliche Ausbildung allen Kindern zukommen kann – nicht nur denen aus wohlhabendem Hause.
Ein Bildungs-Gutschein für jedes Kind ist ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung.